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Nicht erst seit sich „Piraten“ zu politischen Parteien formierten und bei Wahlen kandidieren gibt es sie. Schon 1996 wurde von John Perry Barlow, einem Gründungsmitglied der Electronic Frontier Foundation, als Reaktion auf den „Telecommunications Act of 1996“ in den USA die „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ veröffentlicht. Diese ist bis heute eine der einflussreichsten Schriften für eine freie und unabhängige Internetkultur. Aber was ist das eigentlich, Netzpolitik?

Auch Expert_innen tun sich mit einer Definition schwer. Inzwischen beschäftigten sich auch die etablierten Parteien mit Netzpolitik. Es wird langsam erkannt, dass Netzpolitik nicht nur ein Trend ist. Das Leben mit und im Netz beeinflusst unser Leben beruflich und privat fast täglich mehr. Gerade Politiker_innen sehen das in ihrer Arbeit, die sich auch immer häufiger im Netz abspielt. Das Internet ist also aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Aus diesem Grund ist Netzpolitik auch eine klassische Querschnittsmaterie, wie z.B. Umweltpolitik oder Integration.

Ob im beruflichen Umfeld, wo wir inzwischen fast unsere gesamte Korrespondenz über E-Mail erledigen, gemeinsam über drei Kontinente an einem Dokument arbeiten oder uns immer öfter über VoIP (Voice over IP) und Messenger-Programme unterhalten. Aber auch im privaten Umfeld, wo wir unsere intimsten Erlebnisse „teilen“ und wo das klassische Fernsehen durch unterschiedliche Mediatheken und Youtube ergänzt wird. Auch nutzen wir das Netz für die alltäglichsten Dinge, z.B. um unseren Tagesablauf zu planen, Fahrpläne zu suchen, Restaurants zu finden oder Behördenwege und Bankgeschäfte zu erledigen. Manch einer kann sich inzwischen schon nicht mehr vorstellen, wie das alles ohne Internet gegangen ist und immer mehr Menschen können sich gar nicht mehr an eine Zeit ohne Internet erinnern.

Dass Netzpolitik eine Querschnittsmaterie ist wird besonders dann klar, wenn man sich die unterschiedlichen Politikfelder ansieht, die davon betroffen sein können. Den Ausbau der Telekommunikationsnetze zählt man zur Infrastrukturpolitik, Internetsicherheit ist ein Thema der Innenpolitik. Die Aufklärung über die Gefahren im Internet kann ein Thema der Bildungspolitik sein, genauso wie es der Unterricht mit Unterstützung durch Netzanwendungen ist. Ganz zu schweigen von den mittlerweile schon klassischen Themen der Netzpolitik wie Urheberrechts- und Leistungsschutzfragen, die Verwendung von Open Source in der Verwaltung oder Open-Government-Data.

Nicht zuletzt ist Netzpolitik aber auch ein (neues) Grundrechts- oder vielleicht sogar Menschenrechtsthema. Insbesondere das Thema Netzfreiheit und Netzneutralität, Schutz von Kindern und Jugendlichen oder der Schutz der Privatsphäre können in diesem Zusammenhang genannt werden. Aber auch die Frage, wie sich die Demokratie, der Verwaltung oder der Wahlen und Mitbestimmungsmöglichkeiten durch den Einfluss des Netzes ändert. Ein interessantes Beispiel dafür ist z.B. die Selbstorganisation der Zivilgesellschaft über das internationale Netzwerk http://www.avaaz.org/de/, das mittlerweile imstande ist politische Entscheidungen, nicht mehr nur durch den sprichwörtlichen „Druck der Straße“ sondern durch den „Druck des Netzes“, zu beeinflussen. Mit all diesen Themen – und noch vielen weiteren – beschäftigt sich die sogenannte Netzpolitik.

Laut dem inzwischen wichtigsten einschlägigen deutschsprachigen Blog netzpolitik.org (der von der renommierten Zeit unterstützt wird) kann man das folgendermaßen zusammenfassen: „Netzpolitik beschäftigt sich mit allen Begebenheiten, die auf das Internet Einfluss haben oder die durch das Internet Veränderungen erfahren“ [Zitat nach: http://www.kritikkultur.de/2012/12/14/netzpolitik-geht-uns-alle-an/].

Wenn man sich nun mit all diesen Fragen intensiver auseinandersetzt wird klar, dass dieses Feld keinesfalls den Piraten überlassen werden kann. Bei diesen weiß man nämlich nicht so genau, wessen Interessen sie vertreten. Wahrscheinlich aber an erster Stelle ihre persönlichen. Netzpolitische Themen bedürfen aber eines breiteren Diskurses und einer breiteren Expertise. Da das Netz inzwischen unsere gesamte Gesellschaft abbildet, muss diese auch politisch in ihrem vollen Umfang repräsentiert werden. Hier liegt es an den etablierten Parteien sich weiter zu engagieren und sich neu zu begreifen.

Weblinks:
http://netzpolitik.org/
http://wien.jg.spoe.at/
http://netzpolitik.spoe.at